Faszien durchziehen unseren gesamten Körper und spielen eine entscheidende Rolle für unsere Beweglichkeit und Stabilität. Besonders die tiefe Faszie bildet eine Art inneres Gerüst, das Muskeln umhüllt und mit den Knochen verbindet. Doch wie fühlt sich diese Schicht an, und welche Bedeutung hat sie für unsere Körperwahrnehmung? Welche Berührungen, welchen Druck mag sie?
Im Teil 2 unseres Fasziengespräches mit Andreas Klingebiel lassen wir die tiefe Faszie zu Wort kommen:
Das Trampolin in dir
Ich bin von recht fester Konsistenz, viel straffer und widerstandsfähiger als die oberflächliche Faszie, die mich umhüllt. Wenn du mit etwas mehr Druck arbeitest und einen Widerstand spürst, der sich trampolinartig und zäh anfühlt, dann bis du in Verbindung mit mir.
Klarer Druck und meine Ausrichtung
Als tiefe Faszie geniesse ich Berührungen, die etwas fester sind, mit klarem Druck. Ich habe eine andere Organisation als die oberflächliche Faszie, da ich mehr kollagene Fasern in mir trage. Diese Fasern richten sich aus, je nachdem, wie wir uns bewegen, halten und verhalten. Beispielsweise bin ich in den Beinen fester und straffer, besonders an der seitlichen Oberschenkelseite, wo sich eine straffe Faszienschicht befindet – der sogenannte Tractus iliotibialis. Ich selbst mag diesen Namen nicht besonders, da ich nicht einfach nur ein Band bin, sondern eine feste Struktur, die für Hüftstabilisation sorgt und die Kraft vom Becken auf das Bein überträgt. In den Armen hingegen bin ich lockerer, um mehr Beweglichkeit zu ermöglichen.
Ich bin biodivers
Innerhalb meiner Struktur gibt es viele verschiedene Schichten, wie Septen, Aponeurosen oder Gelenkkapseln, die alle unterschiedliche Funktionen erfüllen. Besonders an den Enden der Muskeln, wo die Muskelhüllen in Sehnen übergehen, bin ich viel straffer. Das ermöglicht eine effiziente Kraftübertragung. Ähnlich ist es bei Bändern, die ebenfalls eine sehr klare Ausrichtung haben, um spezifischen Belastungen standzuhalten.
Bewegung und Hingabe ist mein Lebenselixier
Was Bewegung betrifft, liebe ich Vielfalt – kraftvolle, geschmeidige Bewegungen, Dehnungen in viele Richtungen. Diese Variationen helfen mir, geschmeidig und funktional zu bleiben. Auch in Bezug auf Berührung bevorzuge ich einen satten, präsenten Druck. Besonders angenehm ist es, wenn der Druck einen leichten Widerstand erzeugt und dann langsam schmelzend weiterarbeitet. Dadurch kann ich mich diesem Druck hingeben und mich in ihn hinein entspannen.
Slow down ist meine Sprache
Was das Tempo betrifft, so liebe ich es, wenn mit mir kommuniziert wird. Das bedeutet, dass die Person, die mich berührt, sich die Zeit nimmt, mich wirklich zu spüren und meine Konsistenz zu verstehen. Meine Festigkeit variiert je nach Körperregion, und jede Person hat eine individuelle Struktur. Die beste Berührung ist diejenige, bei der sich die Person von meiner Struktur leiten lässt, sich an meiner Faserausrichtung orientiert und mit ihr arbeitet, anstatt dagegen.
So spürst du deine Faszienschichten am Oberschenkel
Wenn du als Therapeut deine Hand sanft auf die Haut legst, trittst du zuerst mit der Haut in Kontakt. Sie ist zart und dünn, fast pergamentartig. Sobald du etwas mehr Druck gibst, tauchst du in eine Schicht ein, die sich schwammig oder puddingartig anfühlt – das ist die oberflächliche Faszie.
In dieser Schicht kannst du deine Hand leicht in verschiedene Richtungen bewegen und spüren, dass sich die Haut gegenüber den darunterliegenden Schichten verschieben lässt. Diese Mehrdirektionalität entsteht durch die spezielle Anordnung der Fasern. Du wirst merken, dass sich die Haut in manchen Richtungen leichter bewegen lässt als in anderen. Wenn du das Ende der möglichen Verschiebung erreichst, spürst du eine zunehmende Spannung in dieser Schicht – das ist der Moment, in dem die Faszienfasern aufgespannt werden.
Diese Technik, bei der du aktiv verschiebst, nennt man direkte Technik. Es gibt aber auch eine indirekte Methode, bei der du deine Hand in das Gewebe hineinlegst und spürst, ob es eine Zugrichtung gibt. Diese Methode ist leichter, wenn man eine andere Person berührt, da es im eigenen System schwieriger wahrnehmbar ist.
Wenn du nun deine Hand seitlich an den Oberschenkel legst, berührst du zuerst wieder die Haut. Mit mehr Druck sinkst du durch die oberflächliche Faszie hindurch und erreichst schliesslich die tiefe Faszie. Diese fühlt sich straff und federnd an – fast wie ein gespanntes Trampolin. Seitlich am Oberschenkel gibt es eine besonders feste Faszienschicht, die für Stabilität sorgt. In dieser tiefen Schicht ist die Verschiebbarkeit viel eingeschränkter.
Wenn du von dieser Stelle aus weiter nach hinten wanderst, wirst du eine Art Vertiefung spüren – das ist der Bereich, in dem die tiefe Faszie in ein Septum übergeht, das sich bis zum Knochen zieht. Diese Trennschicht markiert den Übergang vom seitlichen zum hinteren Oberschenkel.
Danke, Andreas und tiefe Faszie, für das Gespräch!
Im dritten und letzten Teil sprechen wir über verschiedene Konsistenzen, die Verbindung zum Nerven- und Flüssigkeitssystem und wie wir mit schwierigen Gewebesituationen in der Massagepraxis umgehen können.
Andreas unterrichtet in Bern und am Kientalerhof: www.fmfi.ch/das-fmfi-konzept/