Berührungsqualität ist eines der wertvollsten und schönsten Anteile in der ganzheitlichen Körperarbeit. Sie ist eine besondere Form der Kommunikation des Kontaktes, die auch jenseits von Worten wirksam ist. Sie ist die Sprache, die das Leben berührt und Energie zum Fließen bringt.
Vertrauen gewinnen, um effektiv zu behandeln
Diese Qualität der Berührung ist das wichtigste Werkzeug, um mit dem Patienten in Verbindung zu kommen. Die Art und Weise, wie wir berühren, ist entscheidend, um das Vertrauen des Klienten zu gewinnen. Erst dann wird das Bindegewebe, die Muskulatur, ja sogar jede Zelle angemessen und intelligent reagieren können.
Je nach Berührungsqualität öffnet oder verschließt sich der Körper unserer Klienten. Dies zu wissen, ist bedeutend für eine wirkungsvolle therapeutische Arbeit.
Während ein Mensch eine einfühlsame und vertrauensvolle Berührung erfährt, beginnt der Körper sich ganz von alleine zu öffnen und zu entspannen. So kann eine Behandlung wirkungsvoll, hilfreich und letztendlich heilsam wirken.
Diese Qualität der Berührung setzt sich nach meiner Erfahrung aus verschieden Grundsätzen zusammen und sie sollten Bestandteil jeder guten Massage sein.
Die innere Haltung
Die innere Haltung ist ein wichtiger Aspekt und so banal, dass es meist übersehen wird. Eine wirkungsvolle therapeutische Berührung sollte von Herzen kommen. Sie stützt sich auf die Fähigkeiten wie Präsenz, Einfühlungsvermögen, Wahrnehmungsfähigkeit, Intuition und Akzeptanz dem Klienten gegenüber. Erst dann kann sich das volle Potential der Berührung zeigen.
Wagt ein Therapeut, sich einzulassen, zeigt sich die Wirkung deutlich. Oft entsteht ein Gefühl von Vertrauen und Kontakt, ganz besonders dort, wo sich ein Patient geborgen und aufgehoben fühlt.
Präsent vom ersten Augenblick an
Präsent sein beginnt vom ersten Augenblick an, wenn unser Patient unsere Praxis betritt. Du solltest dir genügend Zeit geben, um dich auf die Massage vorzubereiten, und den Raum vorbereitet haben.
Schon bei der Begrüßung und dem anschließenden Gespräch, ist es wichtig zuzuhören und den Patienten reden zu lassen. Hier erfahren wir, was seine Beschwerden oder Wünsche sind. Es ist wichtig, dass man auf diese Wünsche während der Massage auch eingeht.
Innehalten vor dem Erstkontakt
Uns vor dem physischen Kontakt einen Moment Zeit zu nehmen um bei sich selbst anzukommen, wirkt sich auf die Qualität der Präsenz aus und macht die Verbindung zum Klienten authentischer.
Treffe die Person im Moment. Erkenne sie in der Stille und schau, was für den Rest der Sitzung benötigt wird, sei es Entspannung, Heilung von Verletzungen oder Schmerzlinderung.
Wo soll die Massage begonnen werden?
Es ist egal, ob die Massage an den Füßen, am Kopf oder in einem anderen Bereich begonnen wird. Aber achte darauf, dass der erste Kontakt weich und langsam ist. Halte die Berührung kurz an, bevor mit der Technik begonnen wird. Dadurch kann der Patient deine Präsenz spüren und das schafft Vertrauen.
Ein meditatives Tempo finden
Nachdem die Massage beginnt, ist es gut unsere Gedanken ruhen zu lassen, und ein meditatives Tempo zu finden. Das gibt uns die Möglichkeit, jede noch so subtile Veränderung im Gewebe und der Atmung zu bemerken. Dadurch wissen wir, wann eine Veränderung des Tempos nötig ist, wann man tiefer gehen muss, wann man anhalten sollte oder wann einige Worte notwendig sind. In dieser Stille laden wir den Patienten ein, auf die subtilen Bewegungen und Energien seines eigenen Körpers zu achten und so die Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Individuelle Kommunikation
Ein weiterer Bestandteil in der Qualität der Berührung ist, dass wir eine ganz individuelle Kommunikation mit unserem Patienten aufbauen und die besonderen Merkmale jedes einzelnen dabei berücksichtigen um zu einer präzisen und effektiven Behandlung zu kommen.
Schwerkraft
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Berührungsqualitaet ist es mit der Schwerkraft des eigenen Körpers zu arbeiten. Dies erfordert eine gute Körpermechanik des Therapeuten. Werden die Grundsätze der Schwerkraft beachtet, brauchen wir kein Gramm überschüssige Kraft oder Anstrengung.
„Es gibt kein zu tief, nur ein zu schnell“
In der Schwerkraft verbunden mit unserer Atmung (z.B. während der Ausatmung des Therapeuten mehr Druck geben) verlieren unsere Hände die Spannung und Härte. Das Einsinken in die tieferen Schichten des Körpers wird weicher und natürlicher.
Weiterhin zu berücksichtigen ist die Geschwindigkeit des Einsinkens. Je mehr Spannung an bestimmten Muskelgruppen vorgefunden wird, desto wichtiger ist es das Tempo zu reduzieren und zu warten bis das Gewebe sich vor unseren Händen öffnet.
Körperarbeit als Poesie
In den nahtlosen Übergängen von einer zur anderen Technik oder welchen Teil meiner Hand/Unterarm ich aktiviert habe, sei es die Handfläche, der Handballen, die Fingerkuppen oder die Findergelenke, oder gar der Unterarm oder Ellbogen, mit ständiger Integration ins Ganze, darin liegt die Poesie unserer Arbeit.
Podcast über die Qualität der Berührung
Podcast mit Ingrid May auf Soundcloud: Die Qualität der Berührung
Ingrid May, Januar 2019
Ingrid ist Physiotherapeutin und Esalen Massage Senior Teacher. Sie lehrt und unterrichtet Aus- und Weiterbildungen in Esalen Massage weltweit.